
Selbstentwicklung nach Daniel Stern
Aug 11, 2025Selbstentwicklung nach Daniel Stern – wie das Selbst entsteht und ein Leben lang wächst
Jeder Mensch trägt eine einzigartige innere Geschichte in sich. Diese Selbstentwicklung beginnt nicht erst mit den ersten Worten oder bewussten Erinnerungen, sondern unmittelbar nach der Geburt. Die Psychologie und insbesondere die psychodynamische Forschung haben gezeigt, wie sich das Selbst Schritt für Schritt formt und welche Spuren frühe Kindheitserfahrungen hinterlassen.
Der Kinderpsychiater Daniel N. Stern hat fünf Formen des Selbst beschrieben, die wie Schichten übereinander liegen. Sie entstehen in den ersten Lebensjahren, wirken jedoch ein Leben lang weiter. Wer versteht, wie diese Selbst-Formen entstehen und welche Störungen in der frühen Selbstentwicklung auftreten können, gewinnt einen Schlüssel für persönliche Reifung, therapeutische Arbeit und bewusste Führung.
Das emergente Selbst – die Geburt des Erlebens
Zeitraum: Geburt bis etwa 2 Monate
In den ersten Lebenswochen erlebt das Neugeborene die Welt in einzelnen Momenten: Geräusche, Licht, Berührungen, Hunger, Erleichterung. Diese Sinneseindrücke sind noch nicht zu einer zusammenhängenden Einheit verwoben. Die Aufgabe dieser Zeit ist, aus der Flut von Empfindungen erste Muster zu formen und ein Grundgefühl für Rhythmus und Sicherheit zu entwickeln.
Störungen in dieser Phase entstehen zum Beispiel durch fehlende Geborgenheit, Reizüberflutung oder frühe traumatische Erfahrungen. Sie können dazu führen, dass das Grundgefühl der Welt unsicher bleibt. Später zeigt sich das oft in einer dauerhaften inneren Alarmbereitschaft oder in diffusen Ängsten.
Das Kernselbst – das Gefühl von Einheit
Zeitraum: ab etwa 2 bis 3 Monaten
Mit jeder verlässlichen Reaktion der Bezugsperson wächst die Erfahrung: „Ich bin eins und ich bleibe derselbe, auch wenn sich etwas verändert.“ Das Kind entwickelt Kohärenz, Kontinuität und Wirksamkeit – zentrale Grundlagen der Selbstentstehung.
Fehlen in dieser Phase verlässliche Resonanz und Vorhersehbarkeit, kann das Gefühl einer inneren Stabilität brüchig bleiben. Im Erwachsenenalter kann dies zu Identitätsunsicherheit, starken Stimmungsschwankungen oder einem wechselhaften Selbstwert führen.
Das subjektive Selbst – innere Welten teilen
Zeitraum: ab etwa 7 bis 9 Monaten
Jetzt beginnt das Kind zu verstehen, dass andere Menschen ebenfalls ein Inneres haben. Es erlebt, dass Gefühle, Gedanken und Absichten geteilt werden können. Dieses Erleben von Intersubjektivität schafft die Grundlage für Empathie, Bindungsentwicklung und tiefe Beziehungen.
Fehlt in dieser Zeit emotionale Resonanz, etwa weil die Bezugsperson innerlich nicht erreichbar ist, kann das Kind lernen: „Meine inneren Zustände kommen nicht an.“ Später kann es schwierig sein, Nähe zuzulassen, Vertrauen aufzubauen oder soziale Feinfühligkeit zu entwickeln.
Das verbale Selbst – Worte für mein Inneres
Zeitraum: ab etwa 15 bis 18 Monaten
Mit den ersten Worten kann das Kind innere Zustände benennen und mitteilen. Sprache wird zum Werkzeug, um Erlebnisse zu strukturieren und das eigene Selbstbewusstsein zu stärken.
Wird dieser sprachliche Selbstausdruck abgewertet oder unterbunden, kann sich im späteren Leben eine eingeschränkte Fähigkeit entwickeln, Gefühle zu benennen oder sich authentisch mitzuteilen. Manche Menschen ziehen sich dann innerlich zurück, andere passen sich stark an, um Bindung zu sichern.
Das narrative Selbst – meine Geschichte verstehen
Zeitraum: ab etwa 3 bis 4 Jahren, lebenslang wachsend
In dieser Phase beginnt das Kind, Erlebnisse in eine zeitliche Reihenfolge zu bringen. Es kann sagen: „Gestern ist etwas passiert, und das hat mich so fühlen lassen.“ Das narrative Selbst macht es möglich, die eigene Lebensgeschichte zu verstehen und eine stabile Identität aufzubauen.
Sind die familiären Erzählungen lückenhaft, widersprüchlich oder abwertend, kann das Selbstbild instabil werden. Manche Betroffene fühlen sich wie ein Fremder in der eigenen Geschichte oder erleben eine diffuse Identitätsunsicherheit.
Selbstentwicklung hört nicht in der Kindheit auf
Daniel Stern betont, dass diese Selbst-Formen nicht verschwinden. Sie bleiben als lebendige Modi unser ganzes Leben lang aktiv. Je nach Situation können wir ganz im reinen Erleben sein (emergentes Selbst), klar und handlungsfähig in unserer Einheit (Kernselbst), tief verbunden mit einem anderen Menschen (subjektives Selbst) oder in der bewussten Reflexion unserer Geschichte (narratives Selbst).
Selbstentwicklung setzt sich fort durch Beziehungen, Krisen, Übergänge, Erfolge und bewusste Selbstarbeit. Auch frühe Lücken lassen sich nachnähren, Schichten können stabilisiert und integriert werden.
Warum dieses Wissen für Fach- und Führungskräfte wertvoll ist
In meiner exklusiven psychodynamischen Weiterbildung arbeiten wir gezielt mit diesen Schichten der Selbstentwicklung. Ziel ist, das Selbst im Hier und Jetzt zu stärken, innere Stabilität aufzubauen und Resonanzfähigkeit zu vertiefen.
Das Wissen um die Selbstentwicklung nach Stern ist nicht nur für die Therapie oder Pädagogik wichtig. Es ist die Grundlage für jede Form von Selbstführung, Empathie und authentischer Wirksamkeit. Wer die eigene Selbstentwicklung versteht, gewinnt Orientierung im Inneren und wirkt klarer im Außen – eine Fähigkeit, die in der heutigen komplexen Welt unverzichtbar ist.
Weiterdenken
Das Selbst ist keine starre Struktur. Es ist eine lebendige, formbare und sensible Basis unseres gesamten Lebens. Wer die eigene Selbstentwicklung bewusst vertieft, gestaltet nicht nur seine persönliche Geschichte, sondern auch die Qualität der Beziehungen, in denen er lebt und arbeitet.
Vertiefen Sie Ihre Selbstentwicklung
Wenn Sie diese Einblicke in die Selbstentwicklung angesprochen haben, können Sie sie in meiner psychodynamischen Weiterbildung vertiefen. Dort erforschen wir gemeinsam die Schichten des Selbst, ihre Entstehung und ihre Bedeutung für innere Stabilität, Beziehungsfähigkeit und berufliche Wirksamkeit.
Es ist ein Raum für Menschen, die bewusster leben, klarer führen und tiefer verstehen wollen – im Beruf und im Leben.
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